Überakademisierung – Haben wir zu viele Studierende?

Man kann es schon fast nicht mehr hören – der Begriff, der den Arbeitsmarkt schon seit geraumer Zeit dominiert: Fachkräftemangel. Zu wenig Fachpersonal, zu viele offene Stellen. Doch nicht nur an  spezifisch ausgebildeten Arbeitskräftenmangelt es. Zu wenig Nach­wuchs in allen Bereichen führt zur Arbeiter­losigkeit, die sich insbesondere in Ausbil­dungs­berufen drastisch abbildet. Ein Grund könnte darin liegen, dass sich immer mehr Schulabgänger*innen gegen eine Berufs­ausbildung und für eine akademische Laufbahn entscheiden. Führt dies zu einer Überakademisierung?
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Überakademisierung: Eine Definition.

Unter dem Begriff „Überakademisierung“ versteht man die über den Bedarf hinausgehende Anzahl an Akademiker*innen. Oder wie es der Autor Hugo Müller-Vogg einfach ausdrückt: „Wir haben weitaus mehr Studierende als Arbeitsplätze, die zwingend von Akademikern besetzt werden müssen.“ 

So weit, so gut. Doch wie kommt es zur Überakademisierung? Was ist falsch an Akademikerinnen und Akademikern? Und kann es überhaupt „zu gut“ ausgebildete Arbeitskräfte geben? Diese Fragen beantworten wir in diesem Artikel!

Wo sind die Auszubildenden geblieben?

„Nach der Schule möchte ich studieren!“

„Cool, was denn und wo?“

„Egal, Hauptsache studieren.“

Heutzutage geistert dieser Gedanke in den Köpfen vieler Schülerinnen und Schüler herum. Während es früher eher die Ausnahme war, dass jemand studiert, so ist es heute die Regel.

1995 lag die Zahl der Studienanfänger bei rund 262.000, wohingegen sich 579.000 Schulabsolventen und -absolventinnen für eine Lehre entschieden. Vergleicht man diese Zahlen mit dem Jahr 2020 wird klar, wohin sich der Trend entwickelt hat. 2020 lag die Zahl mit 490.000 Studienanfängern 24.000 Personen über der Zahl der Lehrlinge im selben Jahr.

Warum ist das so?

Zur Geschichte: Bereits seit den 70er-Jahren geht der Trend zum Studium. In dieser Zeit wurde begonnen, Bildungsreserven auszuschöpfen, um mehr Bürgerinnen und Bürgern ein Studium zu ermöglichen. Alles mit der Absicht, soziale Gerechtigkeit weiter auszubauen und die vermeintlich zu starren Strukturen, die durch das dreigliedrige Schulsystem entstanden sind, zu umgehen. Aus eben diesem Grund wurde eine weitere Schulform, die Gesamtschule, gegründet. Diese soll auch Kindern bildungsferner Schichten ermöglichen, eine umfassende Bildung zu erlangen. 

Diese Maßnahmen zeigten Wirkung, denn die Zahl der Studienanfänger stieg rapide an. 1972 lag diese bei 15 Prozent. Bis zum Jahr 2013 hat sich diese Zahl knapp vervierfacht. Im Umkehrschluss schrumpfte die Zahl der Auszubildenden um ein ebenso hohes Maß.

Heute wird der Wunsch zu studieren durch weitere Faktoren vorangetrieben. Ein höherer Bildungsabschluss wird in der Gesellschaft gleichgesetzt mit mehr Erfolg im Beruf. Ein höheres Ansehen, die Aussicht auf mehr Gehalt und ein einfacheres Erklimmen der Karriereleiter.

Doch nicht nur diese Aspekte treiben in vielen Schülern und Schülerinnen den Wunsch voran, ein Studium anzutreten. In vielen Schulabgänger*innen löst der Gedanke daran, von Null auf 100 40 Stunden die Woche zu arbeiten, Angst aus. Zudem wirkt der Gedanke daran, sich nach der Schule, in zum Teil sehr jungem Alter, auf einen Beruf festzulegen, den man möglichweise die nächsten 40 Jahre ausüben soll, erdrückend. Das allseits gepriesene lockere Studentenleben wirkt dagegen eher einladend.

Wird eine Überakademisierung zum Problem?

Viele wollen also lieber studieren, statt eine Ausbildung anzutreten, na und?

Prinzipiell ist das Streben nach einem höheren Bildungsabschluss eine gute Sache, denn dadurch steigt das allgemeine Bildungsniveau der Gesellschaft. So zumindest die Theorie. In der Praxis sieht das mittlerweile leider ein wenig anders aus.

In Zeiten, in denen es genügend Nachwuchs gab, um sowohl den Bedarf an Fachkräften, als auch an Arbeitskräften zu decken, stellte der hohe Akademisierungsgrad keine Bedrohung dar. Denn schließlich gab es immer noch genügend Schulabsolventen, die sich für eine handwerkliche oder pflegerische Laufbahn begeisterten.

Doch diesen Luxus haben wir längst nicht mehr. Die älteren Generationen gehen in Rente und es kommen nicht genügend junge Arbeitskräfte nach, um diese Lücke zu schließen. Entscheiden diese sich dann noch überwiegend für ein Studium, so kommen in den so dringend benötigten Ausbildungsberufen keine Lehrlinge nach. Dadurch entsteht ein Überschuss an Akademikern und ein enormer Mangel an Handwerker*innen, Pflegekräften, Erzieher*innen und, und, und, …

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Worin unterscheiden sich Studium und Ausbildung?

Ein Studium ist mehr wert als eine Ausbildung. Man erhält eine höhere Bildung, ist vorbereitet, für schwierige Berufe und hat dafür Anspruch auf mehr Geld und eine hohe Position. Ist doch ganz logisch, oder? Falsch! Dieses Bild ist allerdings weit verbreitet in der Gesellschaft.

Fakt ist: Es handelt sich um verschiedene Bildungsformen mit unterschiedlichen Ausrichtungen und Schwerpunkten die je nach persönlicher Präferenz besser oder schlechter für eine Person geeignet sind. Doch worin genau bestehen die Unterschiede?

Fragt man Schülerinnen und Schüler nach den Unterschieden zwischen Ausbildung und Studium, bekommt man meist dieselben Antworten zu hören: Für ein Studium braucht man Abitur, für eine Ausbildung nicht. Doch nicht nur dieser Punkt unterscheidet die beiden Ausbildungsformen. 

Theorie und Praxis:

Obwohl es durch das duale Studium und durch diverse Projekte und Pflichtpraktika an Hochschulen teilweise einen erhöhten Praxisbezug gibt, ist ein Studium doch eher theoretisch angelegt. Eine Ausbildung dagegen wendet die in der Berufsschule vermittelte Theorie direkt praktisch im Unternehmen an. 

Dadurch sammeln Auszubildende nicht nur Berufserfahrung, sondern unterstützen das Unternehmen bereits von Anfang an mit ihrer Arbeitskraft. 

Vergütung:

Studierende zahlen je nach Bildungsstätte pro Semester einen gewissen Betrag an Studiengebühren zzgl. Lehrmittel und Bücher. Auszubildende bekommen in der Regel ihre Arbeitsmaterialien gestellt und einen Lohn für ihre Arbeit.

Erfahrung:

Während der Dauer der Ausbildung sind Auszubildende ein fester Bestandteil des Unternehmens. Sie werden ins Unternehmensgeschehen eingebunden und sammeln bereits von Anfang an Berufserfahrung. Studentinnen und Studenten haben es selbst in der Hand, wie viel Berufserfahrung sie während ihres Studiums sammeln. Praktika oder Werkstudenten-Jobs sind hier die Mittel der Wahl. Entscheidet sich ein*e Student*in dagegen, bleibt auch die Berufserfahrung auf der Strecke.  

Jobsuche:

Läuft die Ausbildung gut und alle Parteien sind zufrieden, so müssen sich Auszubildende in der Regel keine Sorgen machen, wie es nach der Ausbildung weiter geht. Laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung werden ca. zwei Drittel der Azubis nach ihrer Ausbildung übernommen. 

Zwar finden 95 % der Absolventen und Absolventinnen nach ihrem Studium langfristig einen Job, jedoch ist die Suche danach bei vielen Akademikerinnen und Akademikern äußerst nervenaufreibend und dauert nicht selten mehrere Monate bis Jahre. In der Zwischenzeit sind diese oft arbeitslos gemeldet. 

Überakademisierung – müssen wir etwas dagegen tun?

Der Arbeitsmarkt lässt keine Zweifel daran: Es herrscht Arbeiterlosigkeit vor allem in Ausbildungsberufen. Schulabsolvent*innen von einem Studium abzuhalten und davon zu reden, die Überakademisierung zu bekämpfen, ist jedoch der falsche Ansatz, finden wir.

Drehen wir den Spieß besser um und versuchen, Ausbildungsberufe attraktiver zu gestalten, um mehr Schülerinnen und Schüler für eine Ausbildung zu begeistern und so zu langfristig zu versuchen, wieder ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Fach- und Arbeitskräften zu schaffen.

Wir haben ein paar Tipps für Dich zusammengestellt, wie Du junge Menschen von einer Ausbildung bei Dir überzeugen kannst:

#1 Ausbildungsbetrieb 2023?

Wir können lange von den Benefits einer Ausbildung sprechen, aber zunächst die Frage: Bildest Du aus? Falls nein, solltest Du mal darüber nachdenken, ob Du nicht die Möglichkeit hast, es zu tun.

#2 Präsentiere Deine offenen Jobs, wo Du Azubis erreichst

Neben den großen Stellenbörsen, wie StepStone oder Indeed, gibt es Portale, die speziell für Ausbildungsberufe geeignet sind, wie beispielsweise Azubi.de.

Zudem sind regionale Stellenbörsen wie meinestadt.de oder Regio-Jobanzeiger eine gute Anlaufstelle.

Ansonsten gilt: Greife Deine Zielgruppe am richtigen Ort zur richtigen Zeit ab – vor Ende ihrer Schulzeit. Gerade in der achten bis zehnten Jahrgangsstufe sind Schüler*innen empfänglich für Informationen rund um ihre Zukunft. Schließe Dich mit Schulen in Deiner Umgebung zusammen, verteile Flyer und halte ggf. Vorträge in einzelnen Klassen. Haben die Schülerinnen und Schüler ein freundliches Gesicht zu Deinem Unternehmen im Kopf, bleibt Dein Unternehmen dort auch!

#3 Social-Media-Recruiting

Die Generation Z ist als Digital Natives mit sozialem Medien groß geworden und nutzt diese täglich. Mache das zu Deinem Vorteil!. Streue Deine Stellenanzeigen auf Social-Media-Kanälen und nutze die Plattformen, um Employer Branding zu betreiben.

#4 Halte die Einstiegshürde so gering wie möglich!

Lebenslauf und Anschreiben waren gestern. Biete potenziellen Auszubildenden mobile Bewerbungswege. Gib ihnen die Möglichkeit, sich bei Dir vorzustellen, wie sie sind. Verlange keine allumfassenden Bewerbungsunterlagen, sondern ermögliche ihnen beispielsweise, sich über Social-Media-Plattformen wie Xing oder LinkedIn zu bewerben.

#5 Man benötigt für Deinen Job kein Studium? Dann verlange auch keins!

Nicht selten findet man heute in Stellenanzeigen die Voraussetzung „abgeschlossenes Studium erforderlich“ oder „Studium erwünscht“. Auch, wenn dies für den Beruf nicht unbedingt vonnöten ist. Diese Zeilen schrecken oftmals ab und verstärken das Bild im Kopf, dass heutzutage jeder studieren muss. Ein Studium ist nicht notwendig? Lass es weg! Weitere Qualifikationen nicht zwingend erforderlich? Lasse sie weg!

Fazit

An dem Wunsch vieler Schulabsolventen, studieren zu gehen, ist prinzipiell nichts Verwerfliches. Auch die Tatsache, dass heute mehr Jugendlichen der Weg in eine Akademiker-Laufbahn ermöglicht wird, ist eine gute Sache. Um jedoch ein ausgewogenes Verhältnis am Arbeitsmarkt herzustellen., müssen Ausbildungsberufe noch attraktiver gestaltet werden. Nicht zuletzt, um das Bild der Gesellschaft dahingehend zu wandeln, dass sowohl eine Ausbildung als auch ein Studium wertvolle Ausbildungsformen sind, finden wir!

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Bildquelle: Vita Maksymets | unsplash.com; www_slon_pics | pixabay.com

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