Das "d" in "m/w/d"

Das „d“ in „m/w/d“ – was Personaler* über diverse Bewerber* wissen sollten

Vor drei Jahren hat das Bundesverfassungsgericht anerkannt: Abgesehen von „weiblich“ oder „männlich“ gibt es noch ein drittes Geschlecht. Seitdem suchen Arbeitgeber nicht mehr nach „Marketing Spezialisten (m/w)“, sondern nach „Marketing Spezialisten (m/w/d)“. Wir fragen uns: Ist die Gesetzesvorgabe im Berufsalltag angekommen? Und wenn ja – sehen Personaler sie als eine reine Formalie, oder besteht tatsächliches Verständnis und echte Integration dieser Gruppe?
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Alle Personaler wissen: Um AGG-konform zu recruiten, müssen wir geschlechtsneutral formulieren. Insbesondere über die Formulierung „(m/w/d)“ stolpern aber noch viele, vor allem, weil dieses „d“ (je nachdem in welchen sozialen Kreisen der Personaler selbst unterwegs ist) oft schwer zu verstehen ist.

Aber, so ist das eben, wenn es um Minderheiten geht. Derjenige, der am langen Hebel sitzt, ist selbst meist nicht Teil der Minderheit, trägt aber umso mehr Verantwortung, inklusives und respektvolles Verhalten an den Tag zu legen.

Arbeitgeber und Personalverantwortliche sitzen da an einer Schlüsselposition, ähnlich wie beispielsweise Lehrer oder Politiker. Dieser Rolle sollten wir Personaler uns bewusst sein, denn in Deutschland leben zwischen 80.000 und 160.000 diverse oder intersexuelle Personen, für die unser Verhalten und unsere Entscheidungen einen riesigen Unterschied machen können. Insbesondere für die Genration Y und Generation Z bildet die Diversität ein wichtiges Kriterium in der Jobsuche. 

„Am Tag, an dem die Mitarbeiter der Verbraucherzentrale Düsseldorf erfahren, dass einer der Kollegen von nun an als Frau angesprochen werden möchte, bekommt Andrea Krieger neue Visitenkarten. Dazu ein neues Türschild – und eine neue E-Mail-Adresse. Es ist ein Tag im Februar 2009, an dem sich (…) alles ändert: Ab jetzt geht sie auf die Damentoilette und kommt in Frauen- statt in Männerkleidung zur Arbeit.“

So berichtet Spiegel-Online von Andrea Kriegers Erfahrungen in der Arbeitswelt. Klingt toll! Aber leider sind derart positive Erfahrungen im Arbeitsleben mehr als handverlesen. In den meisten Fällen gehört Diskriminierung der Menschen, die sich dem dritten Geschlecht zuordnen, leider fest zum Alltag. Und das schon sehr früh. Mit schwerwiegenden Folgen für die Psyche und den weiteren Werdegang.

Jugendliche, die von den gesellschaftlichen Geschlechternormen abweichen, erleben in der Schule oft ein hohes Maß an Ausgrenzung bis hin zu körperlicher Gewalt. Daraus resultieren unter anderem Fehlzeiten, Erkrankungen und Schul- oder Ausbildungsabbrüche, die den Übergang in den Arbeitsmarkt erschweren“

… heißt es in der Veröffentlichung „Trans* im Job: Erst Tabubruch, jetzt selbstverständlich? 

Wer nicht der Norm entspricht,
wird abgestraft.
Die Liste an Demütigungen ist lang...

Wer es schlussendlich schafft, einen Job zu ergattern, für den ist auch das Arbeitsleben wahrlich kein Zuckerschlecken. Die oben genannte Broschüre wartet in diesem Zusammenhang mit bedrückenden Zahlen über den Umgang mit Vertretern des dritten Geschlechts auf: 

13-30 %

… wurden schon einmal im Bewerbungsverfahren diskriminiert.

10-15 %

… erfahren bei der Einstellung gleiche Behandlung.

25 %

… sind arbeitslos.

49 %

… verdienen weniger als 25.000 €/Jahr, 37 % weniger als 20.000€/Jahr.

Nicht selten wird Betroffenen auf verletzende Weise auch der Zugang zur Toilette für das Geschlecht verweigert, mit dem sie sich identifizieren. Auch Beschimpfungen, Beleidigungen und unangenehme Witze gehören zu oft zum Alltag. 

Best Practice: 
Wie es Arbeitgeber besser machen können

Schmerzhaft ist auch die konsequente Verweigerung der Anrede mit dem Namen und dem Pronomen des jeweiligen Identitätsgeschlechts. Auf gendertreff.de berichtet ein Forenmitglied L*, deshalb sogar schon Stellen sausen gelassen zu haben, um möglichen Diskriminierungen von vornherein aus dem Weg zu gehen.

L* geht von Beginn an offen mit der Thematik des dritten Geschlechts um und macht grundsätzlich direkt in der ersten E-Mail an einen Arbeitgeber darauf aufmerksam, um Verwirrung zu vermeiden:

„Ich bin Nonbinär-Transgender und freue mich über geschlechtsneutrale Anreden (z.B.: Guten Tag, Hallo oder Dear statt „Sehr geehrter Herr…“).“ 

Trotzdem wird  L* immer wieder als „Herr“ angesprochen. In solchen Fällen sieht L* von einer weiteren Kommunikation ab, denn die Vermutung liegt nahe: Wenn es schon bei der Bewerbung hakt, wird es im beruflichen Alltag kaum besser laufen…

Ein Arbeitgeber machte es besser: Schon in der Einladung zum Vorstellungsgespräch wurde L* mit einer geschlechtsneutralen Anrede angeschrieben. Beim Bewerbungsgespräch dann die Frage, die alle Restbedenken mit einem Schlag beseitigte: Der Personaler fragte ganz offen nach, wie L* gerne bezeichnet werden möchte und vermutete direkt, dass die Anrede „Herr“ plus Nachname keine Option sei.

Ein ganz besonderes Erlebnis, denn: „Für gewöhnlich muss ich immer einfordern, einfach mit meinem Namen anstelle von „Herr“ bezeichnet zu werden. Dieses Einfordern, korrekt bezeichnet zu werden, kostet mich (…) immer Überwindung.“ 

Nichts ist selbstverständlich
für das dritte Geschlecht

Auch wenn die Geschichte in diesem Fall positiv ausgegangen ist – sie verdeutlicht: Selbst kleine Dinge, die für Männer und Frauen in der Arbeitswelt selbstverständlich sind, müssen von Angehörigen des dritten Geschlechts regelmäßig hart erkämpft werden. Sie müssen sich im Bewerbungsprozess und in der Arbeitswelt wiederholt erklären und Sachverhalte ansprechen, die mitunter tief in die eigene Intimsphäre eingreifen.

Und es kommt noch schlimmer: Nicht selten landen Bewerbungen von non-binären Personen von vornherein auf Ablagestapel P. Oft führen unbewusste Mechanismen (sogenannte Unconscious Biases) dazu, dass die Intuition signalisiert: „Diese Person lieber nicht.“ Hierbei spielen Ängste eine Rolle, ob die bevorstehende Integrationsarbeit gelingt. Für Betroffene bedeutet das selbst in Zeiten, in denen der Arbeitsmarkt brummt: Absage folgt auf Absage.

Helfen könnte ein anonymisierter Bewerbungsprozess. Alternativ lässt sich eine Künstliche Intelligenz einsetzen, die bei der Vorselektion unterstützt. Der Vorteil: Sie achtet beim Abgleich der Passung eines Kandidaten zur Stelle nicht auf Geschlecht, Alter oder Ethnie, sondern nur auf Hard Skills, Soft Skills und Kompetenzen. Deshalb gehen auch über 60 Prozent der Unternehmen davon aus, dass digitale Tools eine diskriminierungsärmere Bewerbervorauswahl unterstützen. 

Quelle: Recruiting Trends 2020, Universität Bamberg).

Was können Personaler tun?

Gegen weitere Diskriminierungen nach der Einstellung helfen zum Beispiel folgende Maßnahmen: 

Ohje, in diesem Zusammenhang meldet sich bei dem ein oder anderen bestimmt schon wieder dieses unangenehme Bauchgefühl: „Ob sich der ganze Aufwand lohnt?“ Und ob! Bedenke: Du bist als Personaler in der Pflicht, Diskriminierung Deiner Mitarbeiter entgegenzuwirken.

Und es ist ganz sicher eine „einzigartige Perspektive, die Welt aus zwei oder gar mehreren Geschlechterpositionen heraus betrachten zu können“, sagen Justine Wodtke, Vera Fritz und Manuel Pflüger vom Sonntags-Club e. V. Berlin, einem Beratungs-, Informations- und Kommunikations-Zentrum für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intersexuelle.

Recht haben sie. Dem ist nichts hinzuzufügen! 

Hast Du Vorurteile Deinen Bewerbern gegenüber

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Sonja Dietz

Sonja ist Journalistin. Journahlistin trifft es besser – denn niemand ist so dicht an wichtigen Recruiting-Themen dran. Besonders wenn es um Trends, Digitalisierung und New Work geht.

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