Was bedeuten Mansplaining und Manterrupting?
Lass uns mit einer kleinen Übersetzung starten, um das Ganze zu entmystifizieren:
- Mansplaining: Der Begriff setzt sich aus den Wörtern „man“ (Mann) und „explaining“ (erklären) zusammen. Es beschreibt das Phänomen, wenn ein Mann einer Frau etwas erklärt – meistens ungefragt und in einem herablassenden Ton – unter der Annahme, dass sie es nicht weiß oder versteht. Der springende Punkt: Die Erklärung ist oft überflüssig oder unnötig, weil die Frau das Thema eigentlich sehr gut kennt.
- Manterrupting: Eine ähnliche, nervige Angewohnheit. „Man“ plus „interrupting“ (unterbrechen) ergibt Manterrupting. Hier wird eine Frau ständig von einem Mann unterbrochen, meistens in Meetings oder Gesprächen, und das, obwohl sie gerade etwas Wichtiges zu sagen hat.
Kommen wir nun zu dem eigentlichen Problem: Mansplaining und Manterrupting treten besonders oft in beruflichen Kontexten auf – und auch im Recruiting bist Du nicht davor gefeit.
Woher kommt der Begriff Mansplaining?
Das Wort „Mansplaining“ tauchte zum ersten Mal 2008 in einem Essay der Autorin Rebecca Solnit auf, betitelt als „Men Explain Things to Me“. Solnit erzählt darin eine Anekdote, in der ein Mann ihr ungefragt die Inhalte eines Buches erklärt – was ziemlich ironisch ist, da Solnit die Autorin dieses Buches war! Ja, Du hast richtig gelesen. Solnit prägte mit ihrem Essay einen Begriff, der seitdem immer mehr Verbreitung findet.
Noch ein prominentes Beispiel gefällig? Du kennst sicher die Autorin Margaret Atwood, die das Buch „Der Report der Magd“ geschrieben hat – also die Buchvorlage zur Serie „Handmaid´s Tale“. Sie teilte 2022 auf Twitter einen Zeitungsartikel über einen Rechtsstreit in Alabama und zitierte in ihrem Post die Überschrift „The Handmaid´s Tale comes to life in Alabama. Women must heed the warning“. Daraufhin bekam sie erklärt, dass sie Handmaid´s Tale nicht verstanden hätte – also ihren eigenen Roman. Unangenehm.
Wie erkennst Du Mansplaining?
Okay, jetzt kommt der spannende Teil: Wie merkst Du, dass Du es mit Mansplaining zu tun hast – vielleicht sogar in einem Bewerbungsgespräch? Hier ein paar typische Szenarien:
- Das „Einfach mal die Grundlagen erklären“-Szenario: Du führst ein Gespräch zusammen mit einer IT-Spezialistin aus der Fachabteilung. Plötzlich beginnt der Kandidat, ihr grundlegende IT-Konzepte zu erklären, obwohl sie ganz offensichtlich Expertin auf diesem Gebiet ist.
- Das „Ich weiß es besser, auch wenn ich keine Ahnung habe“-Szenario: Du bist Recruiterin und leitest ein Meeting über Recruiting-Strategien, die Du seit Jahren erfolgreich anwendest. Ein Kollege ohne Personal-Hintergrund unterbricht Dich, um Dir „schnell zu erklären“, wie Du Deinen Job besser machen könntest.
- Das „Ich rede jetzt über Deinen Job, als wäre es meiner“-Szenario: Du unterhältst Dich als Recruiterin mit einem Bewerber, der Deine Fragen immer wieder ignoriert und stattdessen lange Monologe darüber hält, wie er den Recruiting-Prozess optimieren würde, obwohl er keinerlei Erfahrung in diesem Bereich hat.
- Das „Ich habe eine andere Ausbildung als Du – macht aber nix“-Szenario: Ähnlich wie bei Nummer 3 geht es auch. Eine Bewerberin sitzt im Vorstellungsgespräch und ist offensichtlich Expertin auf ihrem Gebiet. Der Recruiter – seinerseits Experte in seinem Metier – weiß alles besser.
Erkennst Du Dich vielleicht in einer oder mehrerer dieser Situationen wieder? Ja? Willkommen in der Welt des Mansplaining!
Warum passiert Mansplaining überhaupt?
Jetzt kommt die große Frage: Warum? Warum machen manche Männer das? Es gibt mehrere Erklärungen für dieses Phänomen. Ein wichtiger Faktor ist die Sozialisation. In vielen Familien werden Männer von klein auf ermutigt, selbstbewusst ihre Meinung zu äußern, während Frauen oft eine zurückhaltendere Rolle zugewiesen wird. Dies führt zu einem Ungleichgewicht in der Kommunikation.
Ein weiterer Grund sind unbewusste Vorurteile. Viele Männer bemerken gar nicht, dass sie Frauen unterbrechen oder ihnen ungefragt Dinge erklären. Oft liegt dem die Annahme zugrunde, dass Frauen in bestimmten Bereichen weniger Wissen oder Expertise haben. Außerdem kann Mansplaining als ein Mittel genutzt werden, um Macht und Kontrolle in einem Gespräch zu behaupten. Durch das ständige Erklären und Unterbrechen verschiebt sich der Fokus vom eigentlichen Thema und der Expertise der Frau hin zur vermeintlichen „Kompetenz“ des Mannes.
Mansplaining: Nur ein Modewort?
Falls Du denkst, dass wir uns das nur ausgedacht haben oder ein Thema unnötig aufbauschen, müssen wir Dich enttäuschen. Nicht nur auf Social Media ist das Ganze ein Thema – auch renommierte Zeitungen wie die Zeit haben bereits darüber berichtet.
Beispiel gefällig?
Was ist problematisch am Mansplaining – besonders im Recruiting?
Mansplaining im Recruiting – und generell im Beruf – stellt ein ernsthaftes Problem dar, das in verschiedenen Aspekten sichtbar wird. Wenn Kolleginnen ständig unterbrochen oder bevormundet werden, fühlen sie sich oft nicht ernst genommen, was schnell zu Frustration und Unzufriedenheit führen kann. Ein weiteres Problem ist die Verzerrung der Beurteilungen: Insbesondere, wenn Recruiter in Bewerbungsgesprächen Frauen erklären, was sie tun sollten, Hat das fatale Konsequenzen.
Mansplaining im Recruiting ist gefährlich, weil es den Dialog und die professionelle Kommunikation zwischen Recruiter*innen und Bewerber*innen stören kann, was zu negativen Erfahrungen und ungerechten Entscheidungen führen könnte.
Hier sind einige Gründe:
- Unprofessioneller Eindruck: Mansplaining wirkt respektlos und herablassend, was den professionellen Charakter eines Bewerbungsgesprächs oder einer Rekrutierungsberatung beschädigt. Dies kann das Image des Unternehmens negativ beeinflussen und potenzielle Talente abschrecken.
- Diskriminierung und Bias: Wenn Recruiter oder Hiring Manager aufgrund von Geschlecht oder anderen Faktoren die Kompetenz des Gegenübers infrage stellen oder geringschätzen, führt das zu Diskriminierung im Einstellungsprozess. Dies kann dazu führen, dass qualifizierte Bewerberinnen übersehen oder benachteiligt werden.
- Schlechte Candidate Experience: Eine der größten Herausforderungen im Recruiting ist es, eine positive Candidate Experience zu schaffen. Mansplaining kann dazu führen, dass sich Bewerber nicht wertgeschätzt oder ernst genommen fühlen, was ihre Wahrnehmung des Unternehmens negativ beeinflusst und sie möglicherweise davon abhält, das Jobangebot anzunehmen.
- Verlust von Vielfalt und Innovation: Mansplaining trägt zur Verstärkung von Stereotypen bei und kann die Einstellung von diversen Talenten behindern. Unternehmen, die solche Verhaltensweisen tolerieren, riskieren, eine homogene Belegschaft aufzubauen, die weniger Innovation und kreative Lösungsansätze bietet.
Insgesamt führt Mansplaining zu einer ungesunden, intransparenten und respektlosen Rekrutierungsumgebung, die das Potenzial des Talentpools nicht voll ausschöpft und Unternehmen langfristig schadet. Und mal ehrlich: Wenn Du den perfekten Kandidaten oder die perfekte Kandidatin finden willst, ist eine Mischung aus Überheblichkeit und Ignoranz im Gespräch das Letzte, was Du brauchst.
Mansplaining spricht sich herum
Mansplaining im Recruiting spricht sich außerdem schnell herum, insbesondere in Zeiten von Social Media und Bewertungsplattformen wie Glassdoor oder Kununu. Wenn Bewerber*innen im Jobinterview solche herablassenden Erfahrungen machen, neigen sie dazu, ihre Erlebnisse mit anderen zu teilen, sei es in persönlichen Netzwerken oder öffentlich im Internet. Die Folgen sind vielfältig:
- Negative Online-Bewertungen: Kandidat*innen, die sich im Bewerbungsgespräch nicht ernst genommen oder herablassend behandelt fühlen, hinterlassen oft negative Bewertungen. Diese Bewertungen können zukünftige Bewerber*innen abschrecken, was das Image Deines Unternehmens als Arbeitgeber nachhaltig schädigen kann.
- Austausch in Netzwerken: Talente sprechen untereinander über ihre Bewerbungserfahrungen, insbesondere in Branchen mit engem Austausch. Wenn sich herumspricht, dass ein Unternehmen Mansplaining toleriert, könnte dies qualifizierte Bewerber*innen davon abhalten, sich zu bewerben, da sie ein respektloses oder unprofessionelles Umfeld befürchten.
- Social Media: Ein einzelnes negatives Erlebnis kann durch Plattformen wie LinkedIn, X oder Foren eine weite Reichweite bekommen. Geschichten über Mansplaining verbreiten sich schnell und können das Employer Branding eines Unternehmens beschädigen, besonders wenn sie von einflussreichen Persönlichkeiten geteilt werden.
Wie Recruiterinnen auf Mansplaining reagieren können
Wenn Recruiterinnen mit Mansplaining konfrontiert werden, ist es wichtig, selbstbewusst und professionell zu reagieren, um die Situation konstruktiv zu meistern. Hier sind einige Tipps:
- Ruhig und sachlich bleiben: Mansplaining kann frustrierend sein, aber es ist wichtig, ruhig und professionell zu bleiben. Eine überlegte Reaktion zeigt Stärke und Souveränität.
- Unterbrechungen höflich stoppen: Zum Beispiel durch Sätze wie „Entschuldigung, ich war noch nicht fertig“ oder „Lass´mich bitte meinen Gedanken zu Ende bringen“ schaffen Raum für die eigene Expertise.
- Fragen stellen: Ein effektiver Weg, Mansplaining zu unterbrechen, ist es, mit gezielten Fragen auf den Inhalt des Gesprächs zurückzuführen. Beispiel: „KannstDu mir genauer erklären, auf welcher Grundlage Du diese Annahme triffst?“ Dies zeigt, dass die Diskussion auf eine sachliche Ebene gelenkt wird.
- Humor als Tool: Humor kann eine entspannende und gleichzeitig wirkungsvolle Methode sein, um auf Mansplaining zu reagieren. Ein humorvoller Kommentar wie „Danke für die Erklärung, aber ich bin mit diesem Thema sehr vertraut“ kann die Situation entschärfen, ohne konfrontativ zu wirken.
- Grenzen setzen: Es ist völlig in Ordnung, klare Grenzen zu setzen, wenn jemand regelmäßig in Gesprächen mansplaint. Formulierungen wie „Ich schätze Deine Meinung, aber ich habe das Thema gründlich recherchiert und kenne mich gut aus“ signalisieren, dass Du die Diskussion auf Augenhöhe führen möchtest.
Wie können Recruiter Mansplaining vermeiden?
Vielleicht liest das ja auch der eine oder andere Mann, und hier kommt ein ganz wichtiger Punkt: Niemand will der Typ sein, der alle nervt, weil er sich selbst am liebsten reden hört. Deshalb hier ein paar Tipps, um Mansplaining zu vermeiden:
- Selbstreflexion und Bewusstsein: Der erste Schritt ist, sich des eigenen Verhaltens bewusst zu werden. Recruiter sollten sich regelmäßig hinterfragen, ob sie der Bewerberin auf Augenhöhe begegnen oder ob sie ihn unbewusst bevormunden. Eine Sensibilisierung für Mansplaining und andere unbewusste Vorurteile (Unconscious Bias) ist wichtig, um solche Verhaltensweisen zu vermeiden.
- Aktives Zuhören: Eine gute Kommunikation basiert auf aktivem Zuhören. Recruiter sollten sicherstellen, dass sie der Bewerberin aufmerksam zuhören und nicht davon ausgehen, dass diese etwas nicht versteht. Anstatt unaufgefordert Erklärungen abzugeben, sollten sie Fragen stellen und darauf achten, dass die Bewerberin genügend Raum hat, sich zu äußern.
- Fragen statt erklären: Bevor man als Recruiter etwas erklärt, sollte man den Bewerber fragen, ob er bereits mit dem Thema vertraut ist oder ob eine Erklärung gewünscht wird. Dies zeigt Respekt und vermeidet, dass der Bewerber sich herabgesetzt fühlt.
- Feedback einholen: Recruiter können nach Vorstellungsgesprächen aktiv nach Feedback von Bewerberinnen fragen, um herauszufinden, ob sie sich respektvoll behandelt fühlten. Dies hilft, eventuelle Kommunikationsprobleme zu erkennen und zu verbessern.
Fazit: Mansplaining im Recruiting – achte auf Deine Gesprächskultur!
Mansplaining und Manterrupting sind keine seltenen Phänomene, auch nicht im Recruiting. Als Recruiter*in hast Du eine besondere Verantwortung, die Gesprächsatmosphäre professionell und respektvoll zu gestalten. Achte darauf, dass alle Kandidatinnen fair und auf Augenhöhe behandelt werden.
Und wenn Du merkst, dass Mansplaining passiert, sei es durch Dich selbst oder andere, dann steuere gezielt dagegen. So stellst Du sicher, dass der Fokus im Recruiting-Prozess dort bleibt, wo er hingehört: auf der Qualifikation und dem Potenzial der Bewerber*innen – und nicht auf unnötigen Erklärungen.