AHDS im Job Person legt Kopf auf den Tisch

ADHS im Job: Handicap oder Geheimwaffe?

Du sitzt im Bewerbungsgespräch, Dein Gegenüber sprüht vor Energie, wechselt ständig die Themen und erzählt begeistert von zehn parallel laufenden Projekten. Klingt nach Chaos? Vielleicht. Könnte das ADHS sein? Dahinter steckt eine Menge Potenzial! Für viele Recruiter*innen ist ADHS im Job ein Thema, das oft unterschätzt wird. Dabei betrifft es mehr Menschen, als man denkt. Zeit also, sich genauer anzuschauen, was ADHS im Arbeitsalltag bedeutet, welche Herausforderungen es mit sich bringt – und warum es für Dein Unternehmen dennoch eine Bereicherung sein kann.
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Was ist ADHS – und warum betrifft es Dich als Recruiter*in?

ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) ist keine „Kinderkrankheit“, die sich irgendwann rauswächst. Ganz im Gegenteil. Das ADHS-Infoportal des Universitätsklinikums Köln liefert klare Zahlen: „Laut dem Diagnostiksystem für psychische Störungen (DSM 5) sind etwa 2,5 % der erwachsenen Allgemeinbevölkerung betroffen. Eine weitere repräsentative Studie zeigt, dass etwa 4,7 % der erwachsenen Deutschen von ADHS betroffen sind.“

Dazu kommt: Viele Menschen haben ADHS, ohne es überhaupt zu wissen. Sie bringen eine einzigartige Mischung aus Stärken und Herausforderungen in den Joballtag mit. Während manche mit kreativen Geistesblitzen und enormer Energie überzeugen, kämpfen andere mit Zeitmanagement und Konzentrationsproblemen.

Hier sind einige typische Merkmale im Arbeitskontext:

  • Hohe Kreativität und Innovationskraft: ADHS-Betroffene denken oft ungewöhnlich und finden kreative Lösungen.
  • Starke emotionale Intelligenz: Sie können sich gut in andere hineinversetzen und sind oft sehr empathisch.
  • Fähigkeit zum Hyperfokus: Wenn sie sich für ein Thema begeistern, arbeiten sie hochkonzentriert und effizient.
  • Ablenkbarkeit und Impulsivität: Besonders bei uninteressanten oder monotonen Aufgaben kann die Konzentration schnell nachlassen.
  • Herausforderungen beim Zeitmanagement: Termine und Fristen können schnell aus dem Blick geraten.

Das Spektrum von ADHS ist also breit gefächert. Siehst Du ADHS im Job nur als Problem, verpasst Du die Chance auf außergewöhnliche Talente! 

Stärken von Menschen mit ADHS im Job

Wer ADHS hat, bringt oft wertvolle Fähigkeiten mit, die Unternehmen dringend brauchen. Besonders in kreativen Berufen sind solche Talente oft unschlagbar, da ihr Gehirn blitzschnell neue Ideen produziert. Ihr Hyperfokus führt dazu, dass sie sich bisweilen stundenlang in eine Aufgabe vertiefen und dabei beeindruckende Ergebnisse liefern. Zudem sind sie oft sehr anpassungsfähig und können sich schnell auf neue Situationen einstellen.

Es gibt noch weitere “Superkräfte”: 

#1 Hohe Kreativität und Innovationskraft

Menschen mit ADHS denken oft „outside the box“ und bringen frische, unkonventionelle Ideen ein. Sie sehen Verbindungen, die anderen entgehen, und können innovative Lösungen für komplexe Probleme entwickeln. Besonders in kreativen oder dynamischen Arbeitsumfeldern kann diese Fähigkeit ein echter Gewinn sein.

#2 Flexibilität und schnelles Denken

Multitasking? Kein Problem! Wer ADHS hat, kann blitzschnell umdenken, sich an neue Situationen anpassen und spontan Lösungen finden. Diese Eigenschaft macht Menschen besonders wertvoll in Berufen, in denen Flexibilität und schnelle Reaktionsfähigkeit gefragt sind – zum Beispiel im Kundenservice, im Projektmanagement oder in der Eventplanung.

#3 Starke Problemlösungskompetenz

Routine kann langweilen, aber knifflige Herausforderungen wecken den Ehrgeiz. Menschen mit ADHS lieben es, sich in komplexe Probleme hineinzudenken und kreative Lösungen zu finden. Ihr Gehirn arbeitet oft assoziativ. Das bedeutet, dass es alternative Wege findet, wenn andere feststecken.

#4 Resilienz und Durchhaltevermögen

Wer mit ADHS lebt, kennt so einige Hindernisse – und hat gelernt, damit umzugehen. Rückschläge stecken Betroffene oft schneller weg und lassen sich nicht so leicht entmutigen. Gerade in stressigen oder fordernden Jobs kann diese innere Widerstandskraft ein großer Vorteil sein.

Förderst Du Deine Mitarbeitenden mit ADHS richtig, können diese Fähigkeiten für Dein Unternehmen von enormem Wert sein!

Warum haben ADHS-Betroffene oft Probleme im Job?

Aber natürlich hat die Erkrankung auch immense Schattenseiten – da wollen wir nichts schönreden. ADHS ist nicht nur eine Herausforderung im Alltag, sondern kann auch im Berufsleben zu vielen Schwierigkeiten führen. Viele Betroffene kämpfen mit spezifischen Symptomen, die sich zum Beispiel in Phasen großer Belastung negativ auf ihre Arbeitsweise auswirken können Du darfst nur nicht den Fehler machen und diese Verhaltensweisen auf mangelnde Motivation oder fehlendes Engagement zurückführen. „Schuld“ daran sind die neurologischen Besonderheiten, die ADHS mit sich bringt.

Zum Beispiel:

#1 Konzentrationsstörung

Menschen mit ADHS neigen dazu, leicht abgelenkt zu werden – sei es durch äußere Reize, Stress, Trubel im Büro oder ihre eigenen Gedanken. Das führt dazu, dass sie wichtige Details übersehen oder Aufgaben nicht zu Ende bringen, was besonders in Berufen, die hohe Präzision erfordern, problematisch sein kann.

#2 Priorisierungsschwäche

ADHS-Betroffene haben oft Probleme, die Wichtigkeit von Aufgaben richtig einzuschätzen und sie in die richtige Reihenfolge zu bringen. Sie neigen dazu, sich auf kleinere, weniger dringende Aufgaben zu konzentrieren oder beginnen viele Dinge gleichzeitig, ohne sie abzuschließen. Das kann zu Chaos und einer ineffizienten Arbeitsweise führen, wenn nicht klar strukturiert wird.

#3 Prokrastination

Das Aufschieben von Aufgaben ist ein weiteres häufiges Problem. Oft liegt es an der Unfähigkeit, sich auf eine Aufgabe zu fokussieren oder die Notwendigkeit, sofortige Belohnungen zu erleben (wie das Drang, etwas anderes zu tun, was angenehmer ist). ADHS-Betroffene können sich daher schwer motivieren, eine Aufgabe zu beginnen oder zu beenden, was zu unnötigen Verzögerungen führen kann.

#4 Schlechtes Zeitmanagement

Ein weiteres Problem ist das Fehlen eines strukturierten Zeitmanagements. Menschen mit ADHS haben oft Schwierigkeiten, den Überblick über ihre Zeit zu behalten. Sie unterschätzen, wie lange eine Aufgabe dauern wird, oder verlieren das Gefühl für Fristen. Das führt zu Stress und unter Umständen auch zu verpassten Deadlines.

#5 Impulskontrollstörung

ADHS-Betroffene handeln manchmal spontan und ohne die langfristigen Konsequenzen zu bedenken. Im Job kann das dazu führen, dass sie unüberlegte Entscheidungen treffen, Gespräche unterbrechen oder impulsiv auf eine Situation reagieren. Eine mangelnde Impulskontrolle kann auch dazu führen, dass sie oft abgelenkt werden oder ihre Gedanken nicht zurückhalten können, was das Arbeitsumfeld stören kann.

#6 Motorische Unruhe

Die innere Unruhe bei ADHS führt dazu, dass Betroffene oft Schwierigkeiten haben, still zu sitzen oder ihre Aufmerksamkeit über längere Zeit auf eine einzige Sache zu richten. Diese Unruhe kann sich beispielsweise in Zappeln, häufigem Aufstehen oder ständigem Umherlaufen äußern. In einem Büro oder einem Meeting-Setting wird dies (logischerweise) als unaufmerksam oder störend wahrgenommen, auch wenn die betroffene Person wirklich nur versucht, ihre Energie zu kanalisieren.

Doch es gibt Licht am Ende des Tunnels! Diese Herausforderungen sind keineswegs unüberwindbar – mit den richtigen Strategien, wie klaren Zeitplänen, einer strukturierten Arbeitsumgebung oder anderweitiger Unterstützung. Doch dazu kommen wir gleich noch.

Welche Arbeitsbedingungen sind gut für ADHS-Betroffene?

Die richtigen Arbeitsbedingungen haben nicht nur eine wesentliche Auswirkung auf das Wohlbefinden am Arbeitsplatz, sondern auch einen erheblichen Einfluss auf die Produktivität. Und da Du ja möchtest, dass sich in Deinem Unternehmen alle wohlfühlen, haben wir hier ein paar Tipps für Dich. Legen wir los.

  • Klare Strukturen und feste Routinen:
    Eine strukturierte Arbeitsumgebung hilft, den Tag zu organisieren und Aufgaben gezielt anzugehen. Klare Zeitpläne, To-do-Listen und regelmäßige Pausen sind hilfreich, um den Überblick zu behalten. Ist der Arbeitstag vorhersehbar und gut organisiert, können ADHS-Betroffene effizienter arbeiten.
  • Flexibilität bei der Arbeitszeit
    Flexible Arbeitszeiten oder die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, können helfen, die eigene Produktivität zu maximieren. Manche Menschen mit ADHS sind zu bestimmten Tageszeiten besonders leistungsfähig (z. B. am frühen Morgen oder späten Abend). Flexibilität ermöglicht es, in diesen produktiven Zeiten zu arbeiten und in weniger fokussierten Phasen Pausen zu machen.
  • Arbeitsumgebung mit wenig Ablenkungen
    Nicht nur sollte Lärm vermieden werden, sondern auch visuelle Ablenkungen wie unordentliche Schreibtische oder ständige Störungen durch Kolleg*innen können kontraproduktiv sein.
  • Klare Aufgaben
    Große Projekte können überwältigend wirken. Es ist hilfreich, wenn Aufgaben in kleinere, handhabbare Einheiten unterteilt werden. Durch klar definierte Teilziele kann man sich auf einen Schritt nach dem anderen konzentrieren, ohne den Überblick zu verlieren.
  • Feedbackgespräche
    Regelmäßige Rückmeldungen helfen, den Fortschritt zu überprüfen und Klarheit zu schaffen. ADHS-Betroffene profitieren oft von regelmäßigen Gesprächen mit Vorgesetzten oder Kollegen, um ihre Arbeit zu reflektieren und gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen.
  • Arbeiten mit unterstützenden Technologien
    Der Einsatz von digitalen Tools wie Kalender-Apps, Aufgaben-Managern oder Erinnerungsprogrammen kann eine enorme Erleichterung verschaffen. Sie helfen, Fristen einzuhalten, Aufgaben zu priorisieren und den Fokus zu wahren. 

ADHS im Job: Denk´ auch an inklusives Recruiting!

Unterm Strich bringt ADHS zwar viele Nachteile mit sich, aber bei weitem nicht nur. Die Vorteile eines Teammitglieds mit ADHS werden in der allgemeinen Wahrnehmung bei weitem unterschätzt. Du möchtest neurodiverse Talente in Dein Unternehmen integrieren und ihre Superkräfte entfesseln? Dann solltest Du schon im Recruiting-Prozess ein inklusives Umfeld schaffen. Besonders bei der Formulierung Deiner Stellenanzeigen und auf Deiner Website ist es wichtig, auf eine Sprache zu achten, die alle potenziellen Bewerber*innen anspricht und keine unbewussten und ungewollten Barrieren aufbaut. Auch hier können wir wieder mit ein paar Tipps aufwarten:

#1 Vermeide unklare oder vage Anforderungen

Wenn man sich mal so umschaut, enthalten Stellenanzeigen oft eine Menge an Anforderungen, die nicht unbedingt notwendig sind. Achte darauf, dass du klare, konkrete und realistische Anforderungen formulierst, die für alle Bewerber*innen nachvollziehbar sind. Zu viele unklare Erwartungen können insbesondere neurodiverse Talente abschrecken, die sich unsicher fühlen, ob sie den Anforderungen gerecht werden können.

#2 Biete verschiedene Bewerbungsformate an

Manche Bewerber*innen sind in traditionellen Bewerbungsgesprächen vielleicht nicht so stark, fühlen sich aber in anderen Formaten wohler. Du könntest alternative Bewerbungsprozesse anbieten, wie z. B. Video-Bewerbungen, schriftliche Interviews oder praktische Arbeitsproben. Dadurch bekommen alle eine faire Chance, ihre Fähigkeiten zu zeigen.

#3 Fokussiere Dich auf die Fähigkeiten

Anstatt nach den „perfekten“ Kandidat*innen zu suchen, solltest Du Deinen Fokus auf die Fähigkeiten und Stärken legen, die wirklich für die Stelle wichtig sind. Zeige klar, dass es nicht nur um Anpassung an ein bestimmtes Bild geht, sondern darum, wie Bewerber*innen ihre einzigartigen Talente in die Arbeit einbringen können.

#4 Vermeide eine diskriminierende und exkludierende Sprache

Achte darauf, in Deinen Texten keine Sprache zu verwenden, die bestimmte Gruppen (z. B. neurodiverse Menschen) ausschließt. Verwende stattdessen neutrale und inklusive Begriffe wie „Diversität ist uns wichtig“ oder „Wir schätzen verschiedene Perspektiven und Arbeitsweisen“. Auf diese Weise signalisierst du, dass jede*r willkommen ist.

#5 Erstelle ein inklusives Employer Branding

Dein Unternehmen sollte sich aktiv als inklusiv und divers präsentieren. Stelle sicher, dass in Deinem Employer Branding klar wird, dass Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Fähigkeiten willkommen sind. Dies kann auch durch Testimonials von neurodiversen Kolleg*innen geschehen, die ihre positiven Erfahrungen teilen.

#6 Führe Schulungen zur Inklusion durch

Schulungen und Sensibilisierungsmaßnahmen für Führungskräfte und HR-Mitarbeitende sind entscheidend, um Vorurteile und unbewusste Bias zu reduzieren. Schulungen zu Themen wie beispielsweise „Unconscious Bias“ helfen, eine inklusive Kultur in Deinem Unternehmen zu etablieren und Vorurteile zu überwinden.

#7 Stelle einen inklusiven Onboarding-Prozess sicher

Der Onboarding-Prozess sollte so gestaltet sein, dass er für neurodiverse Mitarbeiter*innen zugänglich ist. Dies bedeutet zum Beispiel, klare und strukturierte Einarbeitungspläne zu erstellen, wichtige Informationen schriftlich zu übermitteln und Feedbackgespräche regelmäßig anzubieten.

#8 Biete eine offene Kommunikation an

Ermutige Bewerber*innen und Mitarbeitende, ihre individuellen Bedürfnisse zu kommunizieren, und biete gegebenenfalls Anpassungen im Arbeitsumfeld oder bei den Arbeitsmethoden an. Es sollte ein offenes, sicheres Klima herrschen, in dem Deine Mitarbeitenden sich trauen, ihre Bedürfnisse zu äußern – ohne Angst vor Diskriminierung oder Stigmatisierung.

Fazit: ADHS im Job ist keine Hürde, sondern eine Chance!

Fassen wir nochmal zusammen. Menschen mit ADHS bringen oft Fähigkeiten mit, die Dein Unternehmen enorm bereichern können – wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Gelingt es Dir, Strukturen zu schaffen, die sowohl Klarheit als auch Flexibilität bieten, kannst Du von der Kreativität, dem schnellen Denken und der Problemlösungskompetenz dieser Talente profitieren.

Es lohnt sich also, die nächste Bewerbung mit einem offenen Blick zu betrachten – und das ungenutzte Potenzial dahinter zu entdecken.

Disclaimer:

Wir sind HR-Profis und keine Mediziner*innen: Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu allgemeinen Informationszwecken und stellen keine medizinische Beratung dar. Bei Fragen oder Bedenken zu ADHS oder anderen neurodiversen Ausprägungen empfehlen wir, sich an qualifizierte Fachkräfte zu wenden.

Bildquelle: Cup of Couple; pexels.com

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