Definition: Was ist Quiet Firing?
„Quiet Firing“ klingt erstmal nach einer besonders leisen Art, jemanden zu feuern – und das trifft’s ziemlich gut. Gemeint ist, dass Arbeitgeber oder Führungskräfte ihren Mitarbeitenden nicht offen kündigen, sondern sie durch Ignoranz, fehlende Entwicklungsmöglichkeiten oder subtile Demotivation quasi selbst dazu bringen, zu gehen.
Dieses Phänomen ist gar nicht mal so selten: Eine Umfrage der Pronova BKK ergab im Jahr 2024 folgendes: „Fast die Hälfte der Befragten (48 %) haben bereits Erfahrungen mit psychischen Belastungsfaktoren wie Mobbing und Quiet Firing gemacht […]“. Wir sagen: 48 Prozent zu viel.
Das Problem liegt auf der Hand: Quiet Firing zerstört Vertrauen und die Unternehmenskultur, oft langfristig. Das wirkt sich nicht nur auf die betroffene Person aus. Wer sieht, dass Kolleg*innen still ausgebremst oder „wegverwaltet“ werden, überlegt sich zweimal, ob er oder sie selbst noch motiviert bleiben will. Und plötzlich steht das Unternehmen mit einem massiven Employer-Branding-Problem da.
Kurz gesagt: Quiet Firing ist keine elegante Trennung – es ist eine Führungsschwäche im Flüsterton.
Quiet Firing gleich Mobbing?
Zugebenermaßen wirkt Quiet Firing auf den ersten Blick wie Mobbing in der Deluxe-Version. Doch während Mobbing und Bossing (also Mobbing durch Vorgesetzte) meist aktiv und gezielt verletzend sind, läuft Quiet Firing deutlich passiver, subtiler und oft „unabsichtlich“ ab.
Statt zu sagen: „Das passt hier nicht mehr“, wird einfach nichts mehr gesagt – manchmal reicht es nicht mal mehr zum Smalltalk. Die Botschaft ist klar: „Such Dir lieber was anderes.“
Feedbackgespräche werden plötzlich zur Rarität, spannende Projekte verschwinden wie von Zauberhand, Weiterbildungen sind „gerade nicht drin“ – und wenn Lob verteilt wird, steht Dein Name garantiert nicht auf der Liste.
Das Ziel ist selten eine offene Konfrontation. Vielmehr soll die betroffene Person durch den schleichenden Entzug von Aufmerksamkeit, Förderung und Perspektive von selbst das Weite suchen. Das klingt weniger brutal als klassisches Mobbing, ist aber oft genauso verletzend – nur eben leiser.
Der Unterschied in Kurzform:
- Mobbing und Bossing sind aktiv destruktiv – jemand handelt bewusst gegen Dich.
- Quiet Firing ist passiv destruktiv – jemand unterlässt bewusst, was eigentlich selbstverständlich wäre.
Und genau darin liegt die Gefahr: Weil Quiet Firing so schwer zu greifen ist, bleibt es oft unbemerkt – bis gute Leute längst innerlich (oder tatsächlich) gekündigt haben.
Was bleibt, ist eine Führungslücke, eine Menge Frust und eine Unternehmenskultur, die schneller bröckelt, als man denkt.
Anzeichen für ein mögliches Quiet Firing
#1 Ausgrenzung und fehlende Kommunikation
#2 Ignorierte Belastungen und mangelnde Fürsorge
#3 Aufgabenentzug
Spannende Projekte? Gestrichen. Alltägliche Aufgaben? Weg. Die To-do-Liste wird immer überschaubarer, die Langeweile wächst und der Boreout klopft an? Wer systematisch unterfordert wird, fühlt sich nutzlos und sieht den Sinn der Arbeit nicht mehr.
#4 Blockierte Entwicklung und Karrierebremsen
#5 Abwertung von Leistung
#6 Aneignung von Erfolgen
Quiet Firing im Unternehmen
Wie oben bereits erwähnt, haben schon zu viele Leute die Erfahrung gemacht. In einer Umfrage von LinkedIn gaben die Teilnehmenden folgendes an:
- 35 Prozent haben selbst Quiet Firing erlebt
- 48 Prozent haben es mitbekommen
Das passiert also nicht nur in Einzelfällen – es ist oft ein Symptom einer ungesunden Unternehmenskultur. Wenn Führungskräfte überfordert sind, Konflikte meiden oder keine klare Feedbackkultur leben, entstehen schnell Situationen, in denen Mitarbeitende „still“ aussortiert werden.
Das kann viele Gründe haben. Zum Beispiel:
- Eine Führungskraft weiß nicht, wie sie mit Leistungsschwächen umgehen soll.
- Es fehlt an klaren Entwicklungswegen oder Ressourcen für Feedbackgespräche.
- Es herrscht eine Kultur, in der Fehler oder Kritik tabu sind und Probleme lieber ausgesessen werden.
Das Ergebnis ist immer dasselbe: Teammitglieder werden nicht mehr geführt, sondern ignoriert. Und das hat Folgen – nicht nur für die betroffene Person, sondern auch für das gesamte Team. Denn wer mitbekommt, dass Kolleg*innen leise „wegorganisiert“ werden, verliert Vertrauen in Führung, Fairness und Zukunftsperspektive.
Abgesehen davon, dass Quiet Firing ein echtes Eigentor ist, ist es auch sehr unklug, das während des akuten Fachkräftemangels zu betreiben. Während Unternehmen aufwendig neue Talente suchen, treiben sie bestehende mit unterschwelliger Demotivation raus. Eine paradoxe Situation, die langfristig teuer wird.
Konsequenzen von Quiet Firing
#1 Auswirkungen auf Mitarbeitende
Quiet Firing trifft die Menschen nicht nur beruflich, sondern auch persönlich. Wenn man spürt, dass man im Job leise aufs Abstellgleis geschoben wird, kratzt das an mehr als nur der Motivation. Die Folgen können tief gehen und wirken oft weit über den Arbeitsplatz hinaus.
- Auswirkungen auf die mentale Gesundheit Deiner Mitarbeitenden:
Wer dauerhaft ignoriert, übergangen oder klein gemacht wird, erlebt Stress – und zwar den richtig zermürbenden. Dieses „Ich bin unsichtbar“-Gefühl kann zu Schlafproblemen, Antriebslosigkeit oder Selbstzweifeln führen.
Viele Betroffene berichten, dass sie sich irgendwann gar nicht mehr trauen, ihre Meinung zu sagen oder Ideen einzubringen – aus Angst, noch mehr Ablehnung zu erfahren.
Langfristig kann Quiet Firing so zu psychischen Belastungen führen, die von Frust bis hin zu Depressionen reichen. Das ist nicht nur richtig mies für die Betroffenen, sondern auch teuer für Unternehmen, wenn Krankheits- und Ausfalltage steigen. - Vertrauensverlust in die Unternehmenskultur und an die Führung:
Wenn Mitarbeitende erleben, dass Kolleg*innen still ausgegrenzt oder „rausgedrängt“ werden, sendet das eine klare Botschaft: „Hier bist Du nur so lange willkommen, wie Du funktionierst.“ Dieses Signal frisst Vertrauen. Und wer nicht direkt betroffen ist, fragt sich schnell: „Bin ich als nächstes dran?“
Das Ergebnis: weniger Offenheit, weniger Engagement und mehr innere Distanz.
Kurz gesagt: Quiet Firing ist der beste Weg, aus motivierten Mitarbeitenden stille Beobachter*innen zu machen.
#2 Konsequenzen für Unternehmen
Quiet Firing mag auf den ersten Blick leise wirken – seine Folgen sind es allerdings ganz sicher nicht. Denn wer seine Angestellten rausekelt, bekommt das früher oder später zu spüren.
- Produktivitätsverlust der Mitarbeitenden:
Motivation ist kein Schalter, den man einfach wieder umlegen kann. Wer sich ausgegrenzt oder unterbewertet fühlt, arbeitet zwar vielleicht noch – aber nur noch das Nötigste. Das Ergebnis: weniger Einsatz, geringere Qualität, mehr Fehlzeiten.
Hinzu kommt, dass das restliche Team den Frust schnell mitbekommt. Stimmung und Zusammenarbeit leiden, und plötzlich geht’s nicht mehr nur um eine Person, sondern ums ganze Teamklima. Die Produktivität sinkt also nicht leise, sondern kollektiv. - Negative Auswirkung auf das Arbeitgeberimage:
Wir alle kennen Kununu, Glassdoor & Co. Dort bleibt nichts unbemerkt. Wenn ehemalige Mitarbeitende über schlechte Führung, fehlende Wertschätzung oder stilles Rausdrängen berichten, schadet das massiv der Arbeitgebermarke.
Und das ist kein abstraktes Risiko: Eine negative Bewertung kann reichen, um potenzielle Bewerber*innen abzuschrecken. Recruiting wird schwerer, Kosten steigen, und der Ruf als attraktiver Arbeitgeber bröckelt.
Quiet Firing ist also nicht nur ein internes Führungsproblem – es ist ein Image-Schaden. Wer seine Leute leise verliert, wird am Markt laut überhört.
Warum betreiben Unternehmen Quiet Firing?
#1 Zeitmangel und Kommunikationslücken
Führung braucht Zeit für echte Gespräche, Feedback und Konfliktmanagement. Wenn diese Zeit fehlt, weil der Kalender überquillt, bleibt oft nur das Notprogramm: Schweigen.
Aus „Ich mach das eben noch schnell fertig und dann bin ich für Dich da“ wird schnell ein „Ich rede irgendwann die Tage mit Dir“. Und aus „später“ wird irgendwann „nie“. So entsteht Quiet Firing nicht aus Böswilligkeit, sondern aus Stillstand.
#2 Konfliktvermeidung
#3 Fehlende Führungskompetenz
#4 Strukturelle Probleme und fehlende Feedbackkultur
Manchmal liegt es gar nicht an der einzelnen Führungskraft, sondern am System. Wenn Feedback im Unternehmen generell kaum stattfindet, Weiterentwicklung keine Priorität hat und Fehler tabu sind, entsteht ein Klima, in dem Quiet Firing fast automatisch passiert.
Aber egal, wie das Ganze entsteht – es bleibt ein Problem der Unternehmenskultur mit ernsthaften Konsequenzen. Denn Schweigen ist keine Lösung. Schon gar nicht, wenn es um Menschen geht.
Strategien, um Quiet Firing vorzubeugen
Kommen wir mal zum lösungsorientierten Teil des Artikels. Du als HR-Verantwortliche*r hast zwar nicht die alleinige Verantwortung, aber du kannst einen erheblichen Teil dazu beitragen, dass solche Situationen gar nicht erst entstehen. Zum Beispiel:
- Regelmäßiges Feedback und ehrliche Gespräche:
Regelmäßige 1:1-Meetings, konstruktives Feedback und klare Zielvereinbarungen zeigen Mitarbeitenden, dass sie gesehen werden – und verhindern, dass sich Frust oder Unsicherheit aufstauen. - Klare Entwicklungs- und Karriereperspektiven:
Wer weiß, wo die Reise hingeht, bleibt motiviert. Weiterbildungen, spannende Projekte und transparente Karrierepfade signalisieren: „Du bist wertvoll und wir investieren in Dich.“ - Wertschätzung im Alltag:
Lob, Anerkennung und kleine Dankeschöns kosten nichts, wirken aber Wunder. Wer gute Leistung anerkennt, stärkt Motivation und Bindung. - Zeit für Mitarbeitende einplanen:
Wer zu beschäftigt (oder gar desinteressiert) ist, um zuzuhören, riskiert, dass Mitarbeitende sich übersehen fühlen. Schon kleine Rituale, wie z. B. ein kurzer Plausch oder regelmäßige offene Tür-Zeiten, können einen großen Unterschied machen. - Führungskräfte schulen:
Nicht jede*r kommt als geborene Führungskraft zur Arbeit. Workshops, Coachings oder Mentoring können helfen, Konflikte konstruktiv zu lösen, Feedback richtig zu geben und schwierige Gespräche zu führen. - Offene Unternehmenskultur fördern:
Eine Kultur, in der Feedback willkommen ist, Fehler besprochen werden dürfen und Probleme nicht ausgesessen werden, macht Quiet Firing nahezu unmöglich. Wer Kommunikation und Transparenz lebt, baut Vertrauen und Motivation auf.