Frau sitzt alleine am Schreibtisch, während ihre Kolleg*innen sich ohne sie amüsieren.

Diskriminierung am Arbeitsplatz: (k)ein Einzelfall 

Diskriminierung am Arbeitsplatz ist keine Randerscheinung – jede*r Zehnte in Deutschland ist betroffen. Manchmal offen, oft aber auch subtil und kaum sichtbar: im Bewerbungsverfahren, im Arbeitsalltag oder bei Beförderungen. Und genau da kommst Du ins Spiel. Als Recruiter*in gestaltest Du den Einstieg ins Unternehmen – und stellst damit auch die erste Weiche: Wer bekommt eine Chance? Wer wird gehört? Und wer vielleicht schon aussortiert, ohne dass es jemand merkt? In diesem Beitrag bekommst Du einen Überblick: Was Diskriminierung genau ist, wo sie Dir im Recruiting-Alltag begegnet und was Du ganz konkret tun kannst, um fairer und bewusster zu entscheiden.
Recruiting
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Warum das Thema (immer noch) wichtig ist

Du hast wahrscheinlich schon diverse Recruiting-Kampagnen auf den Weg gebracht, unzählige Bewerbungen gesichtet und fast genauso viele Bewerbungsgespräche geführt. Und vielleicht denkst Du Dir: „Wir achten doch auf Gleichbehandlung – das Thema ist bei uns längst angekommen.“ 

Aber: Diskriminierung ist oft nicht laut und offensichtlich. Sie versteckt sich im Kleingedruckten, in automatisierten Prozessen, in der Formulierung von Anforderungen – oder im Bauchgefühl beim Vorstellungsgespräch. 

Hinzu kommt: Die Arbeitswelt verändert sich. Teams werden diverser, Erwartungen an Arbeitgeber steigen und Bewerbende schauen heute sehr genau hin – auf Werte, auf Haltung, auf Chancengleichheit. Wer da nicht aktiv gegen Diskriminierung vorgeht, läuft Gefahr, wichtige Talente zu verlieren oder gar in rechtliche Stolperfallen zu tappen. Es reicht also nicht (mehr), Diskriminierung „nicht zu wollen“. Es geht darum, sie zu erkennen und bewusst zu verhindern. Und genau das beginnt bei Dir im Recruiting. 

Was ist der Unterschied zwischen Mobbing und Diskriminierung?

Mobbing und Diskriminierung werden oft in einem Atemzug genannt, meinen aber nicht dasselbe. Hier ein kurzer Überblick, wie sie sich unterscheiden und warum das für Dich wichtig ist: 

Mobbing

Definition: Wiederholte, systematische Schikane oder Ausgrenzung einer Person

Motiv: Persönliche Konflikte, Antipathie, Machtspielchen – oft unabhängig von der Herkunft oder Identität der betroffenen Person

Beispiele: Jemand wird ständig unterbrochen, bloßgestellt oder isoliert

Rechtlicher Rahmen: Kann unter bestimmten Bedingungen arbeitsrechtliche Konsequenzen haben, fällt aber nicht automatisch unter das AGG

Typisch im Jobkontext: Eher ein Thema während des Arbeitsverhältnisses

Diskriminierung 

Definition: Ungleichbehandlung wegen eines geschützten Merkmals (z. B. Alter, Geschlecht, Herkunft, Behinderung, Religion, sexuelle Identität)

Motiv: Vorurteile oder Benachteiligung aufgrund von Eigenschaften, die gesetzlich geschützt sind

Beispiele: Eine Bewerbung wird aussortiert, weil die Person vemeintlich zu alt ist

Rechtlicher Rahmen: Das AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) schützt klar vor Diskriminierung – bereits im Bewerbungsprozess

Typisch im Recruiting: Kann schon in der Stellenausschreibung oder im Auswahlprozess beginnen

Beide Phänomene sind problematisch – und beides solltest Du im Blick haben. Aber während Mobbing oft zwischenmenschlich und dynamisch entsteht, ist Diskriminierung meist struktureller – und beginnt häufig unbewusst.

Gerade deshalb ist Dein Blick so entscheidend: Du hast die Chance, faire Prozesse mitzugestalten, bevor Diskriminierung überhaupt passieren kann. Genau genommen bist Du sogar von Gesetzes Wegen dazu verpflichtet.

Die unterschiedlichen Arten der Diskriminierung

In einem sind wir uns hoffentlich einig: Diskriminierung ist in jedem Fall ein No-Go. Tauchen wir aber noch ein bisschen tiefer ein in die verschiedenen Arten. Grob unterteilen lässt sich Diskriminierung in vier unterschiedliche Bereiche:

#1 Direkte Diskriminierung

Von direkter Diskriminierung spricht man, wenn eine Person wegen eines gesetzlich geschützten Merkmals schlechter behandelt wird als eine andere Person in vergleichbarer Situation – und zwar ganz konkret und unmittelbar.

Ein Beispiel: Ein älterer Bewerber wird mit der Begründung aussortiert, man suche „jemanden Junges fürs Team“.

Autsch! In solchen Fällen ist die Benachteiligung wegen des Alters klar erkennbar und verstößt gegen das AGG.

#2 Indirekte Diskriminierung

Indirekte Diskriminierung ist auf den ersten Blick schwerer zu erkennen – aber nicht weniger problematisch. Sie liegt vor, wenn eine scheinbar neutrale Regelung, Anforderung oder Vorgehensweise bestimmte Gruppen faktisch benachteiligt. Der Knackpunkt: Die Diskriminierung steckt nicht in der Absicht, sondern im Ergebnis.

Ein Beispiel: Ein Job wird nur in Vollzeit angeboten, obwohl er sich auch in Teilzeit erledigen ließe – das kann insbesondere Menschen mit Pflegeverantwortung oder kleinen Kindern benachteiligen, also häufig Frauen.

Solche Regelungen wirken auf den ersten Blick neutral, führen aber zu einer Benachteiligung bestimmter Menschen – und auch das kann laut AGG unzulässig sein und im Zweifel die eben beschriebenen Folgen nach sich ziehen.

#3 Strukturelle Diskriminierung

Strukturelle Diskriminierung ist besonders tückisch – denn sie passiert nicht durch eine einzelne Person, sondern ist Teil von Systemen, Abläufen oder Gewohnheiten, die bestimmte Menschen dauerhaft benachteiligen. Oft geschieht das unbewusst, aber mit spürbaren Folgen.

Anders als bei direkter oder indirekter Diskriminierung lässt sich hier kein konkreter „Verursacher“ benennen. Vielmehr geht es um ungleich verteilte Chancen, die durch Traditionen, Routinen oder festgefahrene Strukturen entstehen.

Ein Beispiel: Wenn in Führungspositionen fast ausschließlich Männer sitzen – nicht, weil Frauen sich nicht bewerben, sondern weil Netzwerke, Auswahlkriterien oder Förderprogramme über Jahre hinweg unausgewogen gestaltet waren. Oder wenn Bewerber*innen mit ausländischen Namen seltener zu Vorstellungsgesprächen eingeladen werden, ohne dass das jemand offen so beabsichtigt.

Strukturelle Diskriminierung ist besonders schwer zu bekämpfen, weil sie tief in den Prozessen steckt. Aber genau deshalb lohnt es sich für Dich, genauer hinzusehen. Und zu hinterfragen, welche Strukturen Du unbewusst mitträgst.

#4 Institutionelle Diskriminierung

Institutionelle Diskriminierung meint Diskriminierung, die innerhalb von Organisationen oder Institutionen verankert ist – also etwa in Unternehmen, Behörden, Schulen oder auch im Gesundheitssystem. Sie entsteht nicht unbedingt durch einzelne Personen, sondern durch Regeln, Abläufe oder Entscheidungskriterien, die bestimmten Gruppen systematisch Nachteile verschaffen.

Anders als bei individueller Diskriminierung geht es hier um Strukturen, die diskriminierend wirken, auch wenn sie offiziell „neutral“ erscheinen. Oft sind diese Strukturen historisch gewachsen – und niemand hinterfragt sie mehr.

Ein Beispiel: Ein Unternehmen übernimmt nur Bewerber*innen mit einem bestimmten Abschluss von einer bestimmten Uni – obwohl das keine objektiv bessere Qualifikation garantiert. Oder: Eine Personalsoftware filtert Bewerbungen mit Lücken im Lebenslauf automatisch aus – was z. B. Menschen mit chronischer Erkrankung oder familiären Verpflichtungen benachteiligen kann.

Institutionelle Diskriminierung ist besonders heimtückisch, weil sie Teil des Systems ist und daher oft nicht auffällt. Umso wichtiger ist es, dass Du als Recruiter*in Prozesse regelmäßig überprüfst: Wen schließen unsere Standards möglicherweise aus – und warum?

Was Du konkret tun kannst

Als Recruiter*in hast Du eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, Diskriminierung zu verhindern und Vielfalt zu fördern. Deine Entscheidungen, wie Du Kandidat*innen auswählst, wie Du Stellenausschreibungen formulierst und wie Du mit dem Thema Diskriminierung umgehst, machen einen enormen Unterschied. Du kannst mit der richtigen Personalauswahl zu einem harmonischen Betriebsklima beitragen. Wir hätten da ein paar Tipps. 

#1 Stellenausschreibungen inklusiv gestalten

Achte darauf, dass die Sprache in Deinen Ausschreibungen neutral und einladend ist. Vermeide Formulierungen, die unbewusst bestimmte Gruppen ausschließen (z. B. „jung, dynamisch“ oder „Teamplayer“). Stattdessen kannst Du gezielt die Vielfalt im Unternehmen hervorheben und die Offenheit für unterschiedliche Perspektiven betonen.

Ein weiterer Punkt: Verzichte auf unnötige Anforderungen. Nicht alles, was in einer Stellenanzeige gefordert wird, ist wirklich notwendig. Denk darüber nach, welche Qualifikationen wirklich für die Position entscheidend sind – und ob Du damit nicht aus Versehen bestimmte Personengruppen ausschließt.

#2 Unconscious Bias bei der Auswahl vermeiden

Unbewusste Vorurteile beeinflussen häufig die Auswahlentscheidung. Um dem entgegenzuwirken, kannst du strukturiert und standardisiert interviewen, sodass alle Bewerber*innen die gleichen Fragen in der gleichen Reihenfolge bekommen. Das hilft nicht nur bei der Fairness, sondern auch dabei, den Fokus auf die tatsächliche Eignung und nicht auf Vorannahmen zu legen.

Eine weitere Maßnahme: Anonymisierte Bewerbungsverfahren. Dies hilft, Vorurteile wie Alter, Geschlecht oder Herkunft schon bei der ersten Auswahl zu umgehen. (Kleiner Tipp von uns: Achte auf White Fonting!)

#3 Diversität fördern, nicht nur akzeptieren

Es reicht nicht aus, nur Diskriminierung zu verhindern – es geht auch darum, eine echte Kultur der Vielfalt und Inklusion zu schaffen. Setze Dich dafür ein, dass in den Auswahlverfahren unterschiedliche Perspektiven berücksichtigt werden. Diversity sollte nicht als ein „Nice-to-have“, sondern als wichtiges Unternehmensziel verstanden werden.

#4 Schulungen und Sensibilisierung

Schulungen zu Unconscious Bias und Diversität für alle Mitarbeitenden sind ein wichtiger Schritt. Auch ein Training für Führungskräfte und HR-Mitarbeiter*innen hilft dabei, diskriminierende Strukturen und Verhaltensweisen zu erkennen und zu vermeiden.

#5 Kommunikation und Transparenz

Transparenz im Bewerbungsprozess ist entscheidend: Erkläre den Bewerber*innen, wie der Auswahlprozess abläuft, welche Kriterien für die Entscheidung wichtig sind und dass alle Menschen, unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Alter oder anderen Faktoren, gleichbehandelt werden.

Mit diesen konkreten Schritten kannst Du nicht nur Diskriminierung im Recruiting vermeiden, sondern auch ein Unternehmen mit einer echten Kultur der Vielfalt und Chancengleichheit mitgestalten. Dein Einfluss als Recruiter*in ist also groß.

Diskriminierung im laufenden Arbeitsverhältnis

Wir können Dir nur raten, Deinen Einfluss zu nutzen – gelangen die falschen Personen ins Unternehmen und fangen an, im Arbeitsalltag ihr Gift zu verspritzen, können Diskriminierungserfahrungen leider viel zu häufig von abwertenden Kommentaren über ungleiche Behandlung bis hin zu systematischer Ausgrenzung reichen. Wichtig dabei: Diskriminierung kann von Führungskräften ausgehen, aber auch innerhalb von Teams stattfinden. Werfen wir kurz einen Blick auf die verschiedenen Mechanismen.

Diskriminierung durch Vorgesetzte

Wenn Diskriminierung „von oben“ kommt, hat sie oft besonders gravierende Auswirkungen. Wer z. B. regelmäßig bei wichtigen Projekten übergangen wird, wer keine Fortbildungsmöglichkeiten bekommt, obwohl Kolleg*innen mit ähnlichem Profil weiterentwickelt werden – oder wer für dieselbe Arbeit weniger verdient (Stichwort Gender Pay Gap) –, erlebt strukturelle Benachteiligung.

Auch herabwürdigende Aussagen („Du bist aber ganz schön emotional heute“) oder stereotype Zuschreibungen („Als Mutter hast du bestimmt andere Prioritäten“) sind klare Grenzüberschreitungen. Hier ist die Machtverteilung besonders heikel: Viele Betroffene schweigen aus Angst vor negativen Konsequenzen.

Diskriminierung durch Kolleg*innen

Diskriminierung findet natürlich auch unter Kolleg*innen statt – oft subtil, aber nicht weniger verletzend. Das können abfällige Bemerkungen über Herkunft, Religion oder sexuelle Orientierung sein – ein „Spaß“, der keiner ist.

Auch Mikroaggressionen – kleine, ständige Spitzen, oft gut getarnt – wirken sich langfristig aus: Wer als Person mit Migrationshintergrund immer wieder erklärt bekommt, wie „gut“ er oder sie Deutsch spricht, oder ständig gefragt wird, „wo man wirklich herkommt“, fühlt sich nicht als gleichwertiger Teil des Teams.

Für Dich als Teil des HR-Teams ist es wichtig, das Thema nicht nach der Einstellung eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin zu beenden. Eine diskriminierungssensible Unternehmenskultur braucht langfristige Aufmerksamkeit und Strukturen, die Betroffene schützen und Führungskräfte in die Verantwortung nehmen. Nur dann fühlen sich Mitarbeiter*innen wohl, sind loyal und bleiben dem Unternehmen langfristig treu.

Was tun bei Diskriminierung am Arbeitsplatz?

Und wenn tatsächlich der Ernstfall eintritt? Diskriminierung darf nicht ignoriert werden. Weder von Betroffenen noch von Kolleg*innen oder gar Führungskräften. Schweigen schützt in solchen Fällen nur die Falschen. Wichtig ist, dass es klare Wege gibt, wie Du mit Diskriminierungen umgehst. Was also tun, wenn Diskriminierung passiert?

#1 Dokumentieren

Für Betroffene ist es wichtig, Vorfälle schriftlich festzuhalten: Wer war beteiligt? Was ist konkret passiert? Wann und wo hat die Diskriminierung stattgefunden? Diese Dokumentation kann später entscheidend sein – etwa bei Gesprächen mit Vorgesetzten oder der Beschwerdestelle.

#2 Ansprechpersonen einbeziehen

In jedem Unternehmen sollte es klare Zuständigkeiten geben: Betriebsrat, HR, Vertrauenspersonen oder die offizielle Beschwerdestelle. Betroffene sollten wissen, an wen sie sich wenden können – und Kolleg*innen sollten sie dabei unterstützen, wenn nötig.

#3 Ernstnehmen und handeln

Ob als Führungskraft, HR oder Teammitglied: Wer Diskriminierung beobachtet oder gemeldet bekommt, sollte nicht relativieren oder beschwichtigen („War doch bestimmt nicht so gemeint…“), sondern klar Stellung beziehen. Betroffene brauchen Schutz – und Täter*innen müssen mit Konsequenzen rechnen.

#3 Ernstnehmen und handeln

Ein gemeldeter Vorfall sollte nicht als Einzelfall abgetan werden. Oft steckt mehr dahinter. Deshalb gilt: Prozesse hinterfragen, Schulungen anbieten, Führungskräfte sensibilisieren – und langfristig an einer diskriminierungssensiblen Unternehmenskultur arbeiten.

Fazit

Diskriminierung am Arbeitsplatz ist ein ernstes Thema, das nicht nur individuelle Schicksale betrifft, sondern auch Deine Unternehmenskultur und die gesamte Arbeitsatmosphäre beeinflussen kann. Jedoch hast Du als Recruiter*in die Möglichkeit, aktiv dazu beizutragen, dass Diskriminierung gar nicht erst entsteht – oder zumindest schnell und effektiv bekämpft wird, wenn sie doch auftritt.

Indem Du Dich kontinuierlich mit dem Thema auseinandersetzt, Dich selbst und Dein Team schulst und ein aktives Augenmerk auf faire, diskriminierungsfreie Prozesse legst, kannst Du den Grundstein für eine Arbeitswelt legen, in der Chancengleichheit für alle tatsächlich Realität wird.

Denn eines ist klar: Nur ein inklusiver Arbeitsplatz kann langfristig erfolgreich sein – und Du bist ein wichtiger Teil davon.

Disclaimer: Dieser Text stellt keine Rechtsberatung dar, sondern dient lediglich zu Informationszwecken. Ausführliche Informationen bietet die Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

Vanessa Kammler

Als Chief Extraction Officer liebt sie es, spannende Erkenntnisse aus Studien zu extrahieren, How-Tos zu schreiben und Dir smarte Recruiting-Tools vorzustellen.

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