Welchen Einfluss hat das Aussehen auf die Fähigkeiten von Bewerber*innen?
Diese Frage kannst Du als Recruiter*in leicht und unmissverständlich beantworten. Keinen. Zumindest sollte es keinen haben. Dennoch spielen das perfekte Bewerbungsfoto und das passende Outfit beim Vorstellungsgespräch eine große Rolle. Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen, dass jeder Mensch Vorurteile hat, auch bekannt als Bias. Diese zeigen sich in der bewussten Benachteiligung bestimmter Personengruppen – oder in unbewusster Abneigung. Auslösende Faktoren können zum Beispiel das Alter, das Geschlecht oder auch die ethnische Zugehörigkeit sein.
Dahinter steckt nicht immer böser Wille. Menschen umgeben sich einfach gerne mit Menschen, die ihnen ähnlich sind. Auch Personaler*innen, die der Meinung sind, nicht beeinflussbar zu sein, sind davor nicht gefeit – und das spiegelt sich oft in der Entscheidung wider, welches Talent einen Job bekommt. So neigen beispielsweise Frauen im Recruiting dazu, eher Frauen einzustellen, und Hobby-Fußballer*innen laden bevorzugt fußballbegeisterte Kandidat*innen zum Vorstellungsgespräch ein – iss leider so. Abhilfe schafft Blind Hiring.
Was ist Blind Hiring?
Kurz gesagt – beim Blind Hiring werden Bewerbungen anonymisiert. Es wird – so weit möglich – auf persönliche Daten verzichtet. Alles, zu unbewusster Diskriminierung führen kann, wird eliminiert. Die Bewerbung enthält im Blind Hiring einzig und allein die Qualifikationen und Skills eines Talents, anhand derer entschieden werden soll, ob der oder die Kandidat*in ins Unternehmen und auf die vakante Stelle passt. Die Recruiter*innen sollen so möglichst ‚blind‘ gemacht werden, um gar nicht erst die Möglichkeit zu haben, sich eine unprofessionelle, voreingenommene Meinung zu bilden.
Der Prozess des Blind Hirings bringt zahlreiche Vorteile mit sich. Ohne Angaben wie Name, Geschlecht oder Herkunft kannst Du Dich ganz auf die Fähigkeiten und Qualifikationen der Bewerber*innen konzentrieren. So triffst Du objektive Entscheidungen und findest die besten Talente. Einfach, fair und effektiv!
Wie funktioniert Blind Hiring?
Jetzt denkst Du vielleicht: „Alter! So viel Aufwand für ein paar fehlgesteuerte Recruiter, so viele gibt es doch nicht, die in die Falle der unbewussten Diskriminierung tappen.“ Doch! Leider schon! Die Ökonomin und Genderforscherin Doris Weichselbaumer verschickte knapp 1500 fiktive, identische Bewerbungen. Dabei wurde ein Teil mit einem Foto und einem deutschen Namen und ein Teil mit Foto und einem ausländisch klingenden Namen versehen. Einige Bewerbungen der scheinbaren Bewerberin mit Migrationshintergrund wurde mit einem Foto einer Kopftuchträgerin versehen. Das Ergebnis: Die Migrantin mit Kopftuch muss sich viermal so oft bewerben wie die fiktive Deutsche, um eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch zu erhalten.
Ob es sich hierbei um bewusste oder unbewusste Diskriminierung handelt, ist wohl von Fall zu Fall unterschiedlich. Hier bietet Blind Hiring die perfekte Lösung – das Weglassen des Namens und des Bewerbungsfotos und schon sind Diskriminierungen ausgeschlossen.
Diskriminierung aufgrund des Hobbys! Echt jetzt?
Doch nicht nur Name und Aussehen können zu Diskriminierung aufgrund der Herkunft eines Talents führen. Die Nationalität, Anschrift und die Namen der besuchten Schulen geben ebenfalls einen Einblick über die Herkunft und das Aufwachsen eines Talents. Diese Informationen können beim Blind Hiring ebenfalls als irrelevant betrachtet und daher aus dem Lebenslauf eliminiert werden. In guten Bewerbermanagementsystemen gibt es übrigens Funktionen, die das automatisch übernehmen.
So viel zu Diskriminierung bezüglich der Herkunft und des kulturellen Hintergrunds. Doch was tun, wenn diese nicht der Grund für Benachteiligung sind? Wir haben es eingangs schon mal gesagt: Oftmals bevorzugen Personaler*innen unbewusst Kandidat*innen, die die gleichen Interessen wie sie teilen. So hat bei ähnlichen Qualifikationen der Gamer gegen den Sportfreak eine eher geringe Chance auf ein Vorstellungsgespräch bei sportbegeisterten Personaler*innen. Hier greift die zweite Stufe des Blind Hiring: das Ausklammern von Hobbys und Interessen in der Bewerbung.
Social Media? Nein danke!
Ach, und da wäre noch was: Es ist nur allzu verständlich das Recruiter*innen wissen wollen mit wem sie es zu tun haben. Viele Personaler*innen statten deshalb im Bewerbungsprozess den Social Media Profilen der Talente einen Besuch ab. Hier kann der HR-ler eine Menge über die Persönlichkeit, das Sozialverhalten und die Interessen eines Talents erfahren.
Durch Business-Plattformen lässt sich auch einiges über die Qualifikationen und die Professionalität eines Kandidaten in Erfahrung bringen. Durch eben diesen Informationen besteht jedoch die Gefahr einer Beeinflussung. Deswegen ist ein weiterer Ansatz im Blind Hiring sich auch hier “blind” zu stellen, und auf das Social-Media-Prescreening zu verzichten.
Komm rein und mach das Licht aus!
Jetzt sind alle möglichen Diskriminierungsgründe eliminiert und Du hast die scheinbar bestqualifizierten Talente zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Was nun? Jetzt siehst Du, wen Du Dir gegenübersitzen hast – schlägt nicht spätestens jetzt die Bias-Fall zu? Eine Möglichkeit hat Aldi Süd ausgelotet. Das Unternehmen hat auf einer Messe eine Blackbox aufgestellt und Vorstellungsgespräche in völliger Dunkelheit geführt. Diese Aktion ist jedoch sehr aufwändig und eher ein witziger Gag.
Um aber den Gedanken des vorurteilsfreien Recrutings auch im Vorstellungsgespräch beizubehalten, gibt es einen Tipp. Strukturiere Deine Vorstellungsgespräche klar durch. Schreibe im Vorfeld Fragen auf und stelle diese jedem Talent. So gehst Du auf Nummer sicher, dass jeder und jede Bewerber*in, auch im persönlichen Gespräch, die gleichen Chancen hat.
Blind Hiring kritisch hinterfragt: Wie blind willst Du sein?
Der Gedanke, durch Blind Hiring jedem Talent die gleichen Chancen zu bieten, ist sicherlich ein netter Ansatz. Doch wie blind willst Du sein? Um im ersten Schritt der Bewerbungsphase vollkommene Gleichberechtigung zu gewährleisten, ist das Weglassen einiger persönlicher Daten sicherlich eine Möglichkeit. So kann man im ersten Schritt die am besten qualifizierten Talente aus dem Bewerberpool herausfiltern.
In den weiteren Phasen des Bewerbungsprozesses steht allerdings nicht nur das Können des Talents im Vordergrund, sondern auch die Frage, ob ein*e Kandidat*in menschlich ins Unternehmen passt. Um diese Frage zu beantworten, ist das Kennenlernen des Talents zwingend notwendig.
Hier spielen Interessen, Hobbies und zwischenmenschliches Verhalten eine große Rolle. Noch dazu sagen Hobbies, Erfahrungen und Co. so viel mehr über eine*n Bewerber*in aus als auf den ersten Blick erkennbar. Auf Dauer kannst und sollst Du diese Informationen also nicht ausblenden.
Die Wichtigkeit von Diversität am Arbeitsplatz
Blind Hiring lässt sich im Recruitingprozess daher nur teilweise umsetzen. Doch wenn Du Dich im Vorfeld mit dem Thema Diskriminierung am Arbeitsplatz auseinandersetzt, kannst Du unbewussten Vorurteilen besser entgegenwirken und Entscheidungen objektiver treffen. Im Ergebnis rekrutierst Du ein diverseres Team. Glückwunsch! Das ist nur gut für Dein Unternehmen.
Denk mal darüber nach: Diversität bringt …
… frische Perspektiven
… steigert die Kreativität und
… führt zu besseren Entscheidungen.
Teams werden innovativer, Herausforderungen sind schneller gelöst und Dein Unternehmen wird für neue Talente noch attraktiver. Gleichzeitig stärkt Diversität das Employer Branding, erhöht die Mitarbeiterzufriedenheit und trägt messbar zum wirtschaftlichen Erfolg bei. Laut einer Umfrage sehen 56 Prozent der Befragten in Vielfalt einen Innovationstreiber, und 52 Prozent glauben, dass sie das Unternehmensimage positiv beeinflusst. Diversität spielt also eine zentrale Rolle im Unternehmen und ist für alle Beteiligten wichtig. Klingt das nicht nach einer echten Win-win-Situation?
Fazit:
Blind Hiring – Wie blind sollte ein*e Recruiter*in sein?
Fassen wir also nochmal zusammen: Blind Hiring ist eine innovative Methode, die Dir dabei hilft, den Bewerbungsprozess fairer und objektiver zu gestalten. Es reduziert unbewusste Vorurteile und ermöglicht Dir, die besten Talente ausschließlich auf Basis ihrer Qualifikationen auszuwählen. Dies ist besonders in der Anfangsphase des Recruiting-Prozesses ein effektiver Ansatz, um Diskriminierung zu vermeiden und eine vielfältigere Belegschaft aufzubauen.
Allerdings hat Blind Hiring seine Grenzen. Im weiteren Verlauf des Bewerbungsprozesses sind persönliche Eindrücke unverzichtbar, insbesondere wenn es darum geht, den Cultural Fit zu bewerten. Denn neben fachlichen Kompetenzen spielen Teamdynamik, Werte und zwischenmenschliche Faktoren eine entscheidende Rolle.
Die Kunst liegt also in der Balance: Nutze Blind Hiring, um einen vorurteilsfreien Einstieg in den Auswahlprozess zu gewährleisten, behalte aber im Blick, welche Informationen Du im späteren Verlauf wirklich brauchst, um die beste Entscheidung für Dein Team und Dein Unternehmen zu treffen. Blind Hiring ist ein Schritt in die richtige Richtung – doch am Ende zählt die Mischung aus Objektivität und persönlichem Austausch. Wie blind möchtest Du also sein?
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